
„Herbst der Reformen“: Städte von Sozialkosten entlasten und staatliche Aufgaben neu verteilen
Die Städte haben klare Erwartungen an den angekündigten „Herbst der Reformen“ der Bundesregierung:
- Eine Entlastung der Städte bei den ständig wachsenden Sozialkosten.
- Eine Neuordnung der staatlichen Aufgaben, die die Städte entlastet.
- Entbürokratisierung und Digitalisierung.
Dazu sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Burkhard Jung aus Leipzig, nach der Präsidiumssitzung des Städtetages in Potsdam: „Die Bundesregierung muss jetzt gemeinsam mit den Ländern und Kommunen statt kleiner Stellschrauben die wirklich großen Räder drehen. Die kommunalen Haushalte kollabieren gerade. Das Rekorddefizit der Kommunen von 25 Milliarden Euro im letzten Jahr wird nach unserer Prognose bereits in diesem Jahr mit einem neuen Rekorddefizit von über 30 Milliarden Euro getoppt werden. Die Städte haben keine Zeit mehr für Trippelschritte.“
Sozialausgaben: Haupt-Kostentreiber in den Städten ist nicht das Bürgergeld
„Die Koalition muss bei den Sozialreformen die Themen in den Blick nehmen, die den Städten wirklich unter den Nägeln brennen. Das Bürgergeld ist bei uns in den Städten nicht der Haupt-Kostentreiber“, so der Städtetagspräsident. Sprunghaft gestiegen sind in den Städten in den vergangenen Jahren die Kosten in der Kinder- und Jugendhilfe sowie bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Diese Themen müssen mit auf die Agenda der Sozialstaatskommission. „Das sind wichtige Aufgaben, aber es sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht allein bei den Kommunen abgeladen werden dürfen. Bund und Länder haben zum Beispiel bei der Kindertagesbetreuung einen Rechtsanspruch geschaffen und die Kommunen dann mit den wachsenden Kosten im Stich gelassen. Wir brauchen hier Lösungen, wie Bund, Länder und Kommunen solche Aufgaben gemeinsam finanzieren, und zwar fair verteilt und dynamisiert“, so Jung.
Standardisierbare Aufgaben bündeln und zentral erledigen
Eine weitere Forderung der Städte: Verwaltungsaufgaben, die bundesweit einheitlich sind und bei denen die Städte praktisch keinen eigenen Gestaltungsspielraum haben, sollten digitalisiert und zentral von den Ländern oder vom Bund erledigt werden. „Es ergibt keinen Sinn, dass tausende Kommunen in Deutschland Personal dafür einsetzen müssen, Formulare zu Bundesleistungen entgegenzunehmen und ihren Stempel draufzumachen – ohne wirklich etwas entscheiden zu können. Wenn solche Prozesse gut digitalisiert werden, funktioniert das auch zentral und digital. Das entlastet nicht nur die Städte, sondern ist auch ein echter Service für die Bürgerinnen und Bürger“, erklärte Jung. Aus Sicht des Städtetages könnte das etwa möglich sein bei der Kfz-Zulassung, bei Anträgen zum Wohngeld und Elterngeld sowie bei BAföG-Leistungen. „Hier würden wir gerne gemeinsam mit dem Bund prüfen, wie das zentral geregelt werden kann“, so Jung.
Entbürokratisierung – auch bei Fördergeldern
„Wir müssen in Deutschland überall, wo es möglich ist, konsequent entbürokratisieren und digitalisieren“, forderte der Städtetagspräsident. „Wir brauchen gute und praxisnahe Gesetze. Der Bund muss jedes neue Gesetz gemeinsam mit uns in den Städten darauf prüfen, ob es wirklich notwendig ist und wie es sich vor Ort umsetzen lässt. Neue Gesetze müssen von Anfang an mit digitalen Lösungen gedacht werden – mit einfachen und automatisierbaren Verfahren.“
Das gilt auch für Fördergelder, die Bund und Länder den Kommunen zur Verfügung stellen. „Dafür brauchen wir ganz schlanke Verfahren, am besten feste Budgets für die Städte, ohne komplizierte Anträge und Mittelnachweise. Wir brauchen große Entscheidungsspielräume vor Ort“, forderte Jung.
Eigenanteile für die Pflege wirksam begrenzen
Deutlichen Reformbedarf sieht der Deutsche Städtetag auch bei der Pflege. Dazu sagte Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages: „Es ist gut, dass die Bundesregierung einen breit angelegten Prozess zur Reform der Pflege begonnen hat. Die Städte werden sich konstruktiv einbringen. Am Ende dieses Prozesses muss aber auch eine Entlastung der Kommunen von den Kosten der Hilfe zur Pflege stehen.“
Hilfe zur Pflege beantragen Menschen dann, wenn die Pflegeversicherung die tatsächlichen Kosten nicht mehr deckt und weder die Pflegebedürftigen noch ihre Angehörigen den Eigenanteil aufbringen können. Das ist aufgrund steigender Pflegekosten immer häufiger der Fall. Die Hilfe zur Pflege wird komplett von den Kommunen getragen.
„Die Pflegekosten und die Hilfe zur Pflege steigen immer dynamischer. Das sollte bei der Bundesregierung die Alarmglocken schrillen lassen. Solch hohe Steigerungsraten bei den Sozialausgaben werfen jede Haushaltplanung in den Städten über den Haufen. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Eigenanteile für die Pflege wirksam zu begrenzen, damit die Städte nicht mehr Ausfallbürgen für die Pflegeversicherung sind. Die Pflegeversicherung sollte zu einer Vollversicherung ausgebaut werden. Das ist nicht weniger als ein notwendiger Systemwechsel. Damit hätte auch das aufwendige Nebeneinander von Pflegeversicherung und Hilfe zur Pflege ein Ende. Dieser Bürokratieabbau würde dauerhaft Kosten reduzieren“, so Schuchardt.