Bertelsmann Stiftung veröffentlicht „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“
Jobmotor Kita in Nordrhein-Westfalen weniger stark als in anderen Ländern – hoher Bedarf an pädagogischen Fachkräften
Erzieherinnen verzweifelt gesucht: Unter dieser Überschrift wird der Aus-bau der Kinderbetreuung ein Jahr vor Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr diskutiert. Dies gilt vor allem für Nordrhein-Westfalen, wo nach Berechnungen der Universität Dortmund im kommenden Jahr bis zu 6.750 Erzieherinnen fehlen werden. Ein Ausweg könnte zumindest in Teilen im Personalstamm der Kitas schlummern. Denn 44 Prozent der Erzieherinnen in nordrhein-westfälischen Kitas arbeiten in Teilzeit. Mehr Anreize zur Vollzeitbeschäftigung könnten also den Personalmangel lindern helfen. Das geht aus dem diesjährigen „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ hervor, den die Bertelsmann Stiftung heute veröffentlicht.
Der neue Ländermonitor zeigt, dass Kinderbetreuung auch in Nordrhein-Westfalen in den vergan-genen Jahren ein Jobmotor war, aber in geringerem Ausmaß als in anderen Bundesländern. In-zwischen arbeiten 85.300 Erzieherinnen in den nordrhein-westfälischen Kindertageseinrichtungen (Stichtag 1. März 2011). Fünf Jahre zuvor waren es 74.000 Fachkräfte. Dies bedeutet zwar einen Anstieg um 15,4 Prozent, in den übrigen westdeutschen Bundesländern stieg die Zahl der Erziehe-rinnen im selben Zeitraum allerdings um 25 Prozent.
Auch diese vergleichsweise geringe Dynamik der vergangenen Jahre lässt den aktuellen und künf-tigen Bedarf an pädagogischen Fachkräften in Nordrhein-Westfalens Kitas besonders hoch ausfal-len. Wenn am 1. August 2013 der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr in Kraft tritt, werden bundesweit allein für die bis dahin neu zu schaffenden Kita-Plätze für unter Dreijährige 42.000 Fachkräfte benötigt. Arbeits- und Ausbildungsmarkt können diesen Bedarf nicht vollständig decken. Bundesweit fehlen im kommenden Jahr bis zu 15.000 Er-zieherinnen, 6.750 davon in Nordrhein-Westfalen. Das hat die Universität Dortmund errechnet.
Beim Anteil der Vollzeitbeschäftigung in Kitas ist Nordrhein-Westfalen bundesweit Spitzenreiter. Das macht es für NRW schwieriger als für andere Länder, durch Anreize zur Vollzeitbeschäftigung den Fachkräftemangel zu reduzieren. Während in Deutschland lediglich 40 Prozent aller Erziehe-rinnen in Vollzeit arbeiten, sind es in NRW 56 Prozent. Möglichkeiten zur Aufstockung ihrer Stun-denzahl haben in NRW vor allem jene 16 Prozent der Erzieherinnen, die derzeit weniger als 21 Wochenstunden arbeiten. Und: Bei neu geschaffenen Stellen in Kitas ging der Trend in NRW in den vergangenen Jahren in Richtung Teilzeit. Lediglich 37 Prozent der zwischen 2006 und 2011 neu geschaffenen Stellen sind Vollzeitstellen.
Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, bewertet einen hohen Anteil von Teil-zeitbeschäftigten in Kitas kritisch: „Kinder brauchen in ihrer Kita eine feste Bezugsperson. Das ist eine zentrale Frage der Qualität außerfamiliärer Kinderbetreuung.“ Dass gezielte Förderung von Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen wirksam sein kann, zeigt das Beispiel Thüringen. Dort hat sich der Anteil der Vollzeitbeschäftigten innerhalb eines Jahres von 28 auf 39 Prozent erhöht. Die dor-tige Landesregierung verpflichtete die Träger von Kindertageseinrichtungen zu prüfen, ob und wie Erzieherinnen ihre Stundenzahl ausweiten können.
Ein weiterer Treiber des steigenden Fachkräftebedarfs im Westen ist die wachsende Nachfrage nach Ganztag. In NRW wird sich diese nur in abgeschwächter Form zeigen, da bereits für 39,2 Prozent der Kinder ab drei Jahren, die eine Kita besuchen, eine Betreuungszeit von täglich mehr als sieben Stunden vereinbart ist. Dies ist der zweithöchste Wert aller westdeutschen Bundeslän-der (Durchschnitt 30,1 Prozent). Gleichwohl ist auch für Nordrhein-Westfalen eine weiter steigende Nachfrage nach Ganztagsbetreuung zu erwarten, da diese seit 2006 kontinuierlich gestiegen ist, insgesamt um 16,4 Prozentpunkte. Auch ein Vergleich mit der Ganztagsbetreuung im Osten (73 Prozent) deutet darauf hin.
Der „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung ist ein Internetportal, das alle wichtigen Daten und Fakten zu Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege bundesweit sowie für jedes einzelne Bundesland aufbereitet. Grundlage sind Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik. Die Berechnungen hat der Forschungsverbund DJI/TU Dortmund durchgeführt. Der Ländermonitor stellt die Informationen transparent dar, ermöglicht Ländervergleiche und setzt damit Impulse für eine da-tengestützte und zielgerichtete Weiterentwicklung bestehender Bildungs- und Betreuungsangebote in Deutschland. http://www.laendermonitor.de
Quelle: Berstelsmann Stiftung