Städtetag NRW zum Bericht der Bertelsmann Stiftung "Armut in Großstädten"
2. April 2019
Statement von Helmut Dedy, Geschäftsführer des Städtetages Nordrhein-Westfalen, zum Bericht der Bertelsmann Stiftung „Armut in Großstädten“
„Die Ergebnisse des Berichts der Bertelsmann Stiftung bestätigen langjährige Erfahrungen vieler nordrhein-westfälischer Städte. Laut der Studie befinden sich unter den Großstädten, in denen die Armut zugenommen hat, beispielsweise auch alle 13 Ruhrgebietskommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern. Eine Ursache dafür ist der noch nicht vollständig bewältigte Strukturwandel in der Region, durch den vielerorts ganze Schlüsselindustrien und viele Arbeitsplätze weggefallen sind. Hinzu kommt, dass sich Langzeitarbeitslosigkeit und hohe Wohnkosten gerade in großen Städten konzentrieren und das Armutsrisiko steigern. Auch leben dort mehr Menschen ohne Schul- und Berufsabschlüsse oder ausreichende Deutschkenntnisse. Vor allem fehlende Qualifikationen verhindern, dass Menschen eine existenzsichernde Arbeit aufnehmen können. In Nordrhein-Westfalen leben zum Beispiel mehr als ein Viertel aller erwerbsfähigen Menschen, die Sozialleistungen nach dem SGB II erhalten (Hartz IV).
Die Städte versuchen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, die Armut vor Ort zu bekämpfen. Sie setzen beispielsweise Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter für die Schuldner-, Pflege-, Gesundheitsberatung sowie als Ansprechpartner in Schulen ein. Der Ausbau der Kinderbetreuung und weitere familienunterstützende Leistungen unterstützt auch Arbeitssuchende. Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund wird durch spezielle Angebote und Deutschkurse gefördert. Außerdem praktizieren viele Städte bereits eine regelmäßige detaillierte Sozialberichterstattung, um ihre Maßnahmen zielgenau zu planen.
Die Städte mit dem größten Anteil sozial Schwacher in der Bevölkerung haben allerdings oft mit den größten finanziellen Problemen zu kämpfen. Nordrhein-westfälische Kommunen stehen mit rund 23,5 Milliarden Euro bei den Kassenkrediten in der Kreide – das ist bundesweit die Hälfte. Bei den kurzfristigen Kassenkrediten liegt die Pro-Kopf-Verschuldung bei 1.318 Euro, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt von 555 Euro je Einwohner. Die Schuldenlast ist für viele Städte erdrückend. Hohe Arbeitslosigkeit, niedrigere Steuereinnahmen und hohe soziale Pflichtausgaben machen die Lage vieler Kommunen nicht besser. Dieses Problem hat auch der Bund erkannt und im vergangenen Jahr die Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse eingesetzt. Dort arbeiten Bund, Länder und Kommunen gemeinsam zusammen. Vom Ergebnis der Kommissionsarbeit erwarten wir, dass das Land und der Bund strukturschwache Städte und Regionen gezielt fördern und entlasten. Auch das kommunale Altschuldenproblem muss angepackt werden. Das ist für viele NRW-Städte besonders wichtig. Wir brauchen gleiche Zukunftschancen für alle Menschen, egal an welchem Ort sie leben.“
Quelle: www.staedtetag.de